Problemfall Wehrpolitische Vereine?

Immer wieder werden Wehrpolitische Vereine in der Öffentlichkeit thematisiert. Welche Probleme liegen hinter diesen staatlich unterstützten Hobbymilitärs und der Intransparenz des Ministeriums?

Was sind wehrpolitische Vereine?

In Österreich gibt es einen Wildwuchs an wehrpolitischen Vereinen. Ziel dieser Vereine soll es sein das Bundesheer zu unterstützen und den „wehrpolitischen Gedanken“ im Sinn eines Milizheeres in der Öffentlichkeit zu pflegen.  Diese Vereine und deren Mitglieder gewährt die Republik einige Vorrechte: Vereinsveranstaltungen können mit dem Bundesheer zusammen durchgeführt, Vereinszeitungen und Vereinshomepages mit Bundesheer-Inseraten gefördert, Vereinsmitgliedern die im Bundesheer arbeiten kann „Sonderurlaub bzw. Dienstfreistellung für Tätigkeiten im Rahmen des Vereins“ gewährt werden. Auch kann von ihnen „militärische Infrastruktur“ und Transportmittel des Bundesheer mitbenützen werden, etwa Kasernen, Übungsplätze, usw.

Es gibt knapp 150 wehrpolitische VeWreine, manche davon leisten auch wichtige Beiträge zu einer lebendigen Vereinslandschaft und Zivilgesellschaft. Andere wiederum sind da problematischer…

Das Verteidigungsministerium (BMLVS) zuerkennt den Vereinen auf Antrag den Status eines wehrpolitischen Vereins. Die formalen Voraussetzungen hierfür sind sehr niedrig: die Vereine müssen sich in den „Statuten ausdrücklich zu den gesetzlich normierten Aufgaben des Bundesheeres bekennen“ und in der „konkreten Vereinsarbeit grundlegende, erkennbare und unterstützende Beiträge für das Österreichische Bundesheer leisten“[1]. Eine darüber hinausgehende Überprüfung der Vereine, Mitglieder oder Vereinstätigkeiten findet nicht statt.

Problem des Paramilitärs

Österreich hat ein Milizheer, in dem Soldaten und Soldatinnen des Präsenz-, des Miliz- und des Reservestandes das Bundesheer repräsentieren. Das äußere Kennzeichen dieser Zugehörigkeit ist die Uniform. Bei Mitgliedern wehrpolitischer Vereine verschwimmen aber oftmals die Grenzen: Exerzieren in Bundesheer-Uniform am Kasernenhof, Bedienen von Bundesheer-Geräte und -Waffen, Nützen von Bundesheer-Liegenschaften und -Schießplätzen, Abhalten von Gedenkfeiern für die Wehrmacht (oder gar SS/Waffen-SS) in Uniform und mit Bundesheer-Kranz, Durchführung von Märschen in Uniform und mit Waffen. Für Außenstehende entsteht der Eindruck, hier sind Bundesheer-Soldaten am Werk – tatsächlich sind es aber Zivilisten.

Problem fehlenden Abgrenzung zum Rechtsextremismus

Natürlich fühlen sich die meisten Bundesheer-Angehörigen der Demokratie tief verbunden. Gleichzeitig war Rechtsextremismus und Neonazismus innerhalb des Bundesheeres seit jeher ein großes Problem. Während für Angehörige des Heeres dafür klare Regeln definiert sind und eine Kontrolle vorgesehen ist, fehlt diese bei den Wehrpolitischen Vereinen komplett:

  • Das BMLVS vertraut den Ämter des Verfassungsschutzes und der Vereinsbehörde blind, dass Rechtsextreme sich nicht in Vereinen organisieren – sie wären dann ja aufzulösen. Weder Ministerium, Militärkommando noch die militärischen Geheimdienste überprüfen die Wehrpolitischen Vereine, denn das ist polizeiliches Terrain.
  • Dem BMI ist der Status eines Wehrpolitischen Vereins hingegen unbekannt, denn er existiert nur innerhalb des Bundesheeres, nicht als allgemeiner Status.

Diese doppelten Unzuständigkeiten erzeugen einen blinden Fleck in einem sensiblen Bereich. Anfang Jänner tauchten Bilder und Berichte von minderjährigen Fans der rechtsextremen Identitären auf, die in RFJ-Hemden auf einem Polizeischießplatz auf Einladung eines wehrpolitischen Vereins unter Anleitung von Bundesheer-Angehörigen mit Waffen Schießübungen durchführten.[2]

Problem der fehlenden Transparenz und Kontrolle

Das Verteidigungsministerium verweigert dem Parlament die Auskunft darüber, welche Vereine die genannten Privilegien genießen. Lediglich die Anzahl ist bekannt: 2012 gab es 137 wehrpolitische Vereine[3], 2016 bereit 147.[4]

Als ich 2012 Problembereiche bei den wehrpolitischen Vereinen aufzeigte reagierte Minister Norbert Darabos mit einer Evaluierung. Ich hatte damals bereits Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Ministeriums dem Parlament reinen Wein einzuschenken: Denn es wurde behauptete die Evaluierung sei von selbst sieben Wochen vor meiner Anfrage gestartet worden, zudem wurde sie scheinbar von einer noch inexistenten Dienststelle durchgeführt worden.[5]

Als ich im Sommer 2016 das Ministerium darauf hinwies, dass die Überprüfung der Wehrpolitischen Vereine weiterhin im Argen liegt, wurde mir die Auskunft verweigert, welche Vereine denn laut Evaluierung überprüft und unproblematisch seien. Aber, so der Minister, alle Vereine wurden einer

„militärischen Sicherheitsüberprüfung durch das Abwehramt unterzogen und die Vereinsstatuten sowie die Vereinsregisterauszüge [wurden] überprüft.“[6]

Als nun Anfang 2017 erneut Berichte von wehrpolitischen Vereinen mit rassistischen Obmännern,[7] Identitären Mitgliedern[8], jugendlichen Schießplatz-Besuchern und Wehrsportgruppen aus dem Ausland auftauchten, reagiert Minister Hans Peter Doskozil mit einer – richtig geraten! – Evaluierung. Und die Liste soll nach der (erneuten) Evaluierung auf der Bundesheer-Homepage veröffentlich werden. Es kann also nach der 15-monatigen Evaluierung dem Parlament gegenüber

„eine  listenmäßige  namentliche  Anführung der als wehrpolitisch relevant anerkannten Vereine oder jener Vereine, denen dieser Status aberkannt wurde, (.) aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht erfolgen“,

sobald aber abermals monatelang die Liste evaluiert worden ist, bestehen solche Bedenken nicht mehr.

Forderungen:

  • Begrenzung der Schießplätze auf Polizei- und Bundesheer-Angehörige: Kinder, Vereine, Parteiorganisationen und Waffennarren und ausländische Gruppen haben dort nichts verloren.
  • Beschränkung der Vereinstätigkeiten von wehrpolitischen Vereinen auf Musik, Museum und Wissenschaft: Wehrmachtsgedenken und paramilitärische Übungen haben im Nahbereich des Heeres nichts zu suchen.
  • Transparenz gegenüber dem Parlament und Rechnungshof: So Dienstfreistellungen zum Betrieb eines Garnisonsmuseums-Vereins oder Sonderurlaube für den Kasernenchor als objektiv notwendig erachtet werden, so ist darüber Transparenz herzustellen: Zukünftig und Rückwirkend ab 2012, dem Parlament und dem Rechnungshof.

Anfragen zum Thema:

– Parlamentarische Anfrage 2016 zu “wehrpolitische Vereine”: Anfrage und Anfragebeantwortung
– Parlamentarische Anfrage 2012 zu “wehrpolitische Vereine”: Anfrage und Anfragebeantwortung

 

Presseartikel zum Thema:

– derstandard.at, 28.1.2017: Verteidigungsministerium: Geheime Privilegien für 147 Vereine
– derstandard.at, 10.2.2017: Bundesheer-Umfeld: Schießbewerbe mit Anhängern der Identitären
– derstandard.at, 10.2.2017: Doskozil will Transparenz für “wehrpolitische Vereine”
– ZEIT online, 27.8.2012: Rechtes Netzwerk in Österreichs Kasernen
– derstandard.at, 21.8.2012: Militärverein organisiert braune Feier
– derstandard.at, 21.8.2012: Wehrmachtsgedenken: Inakzeptabel schwammig

[1] https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/AB/AB_08876/index.shtml

[2] http://derstandard.at/2000052390367/Bundesheer-Umfeld-Schiessbewerbe-mit-Anhaengern-der-Identitaeren

[3] https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/AB/AB_12660/fname_281744.pdf

[4] https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_09552/imfname_559775.pdf

[5] 4.Sept.2012 versus 23.Okt.2012, https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_09552/imfname_559775.pdf bzw. https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/J/J_12900/fname_272855.pdf

[6] https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_09552/imfname_559775.pdf

[7] http://derstandard.at/2000051568434/Verteidigungsministerium-Geheime-Privilegien-fuer-147-Vereine

[8] http://derstandard.at/2000052390367/Bundesheer-Umfeld-Schiessbewerbe-mit-Anhaengern-der-Identitaeren

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