Immer wieder gibt es Medienberichte über Missstände im österreichischen Strafvollzug. Auffällig ist, dass die vielfach verstörenden und schockierenden Meldungen weit überdurchschnittlich die Untersuchungshaft betroffen haben. Daher gilt es, einen genaueren Blick auf die Situation jener Personen zu werfen, die sich in Österreich in Untersuchungshaft befinden. Hier führen überfüllte Gefangenenhäuser, lange Einschlusszeiten, der kaum vorhandene Verkehr mit der Außenwelt sowie die ungewisse Zukunft der Insassen zu teilweise äußerst prekären Lebenssituationen.
In einer parlamentarischen Anfrage habe ich die Entwicklungen rund um die Untersuchungshaft abgefragt. Die Anfrage und ihre Beantwortung sind hier zu finden: http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_02364/index.shtml
Die
Gesamtzahlen
Der Gesamtzugang an Untersuchungshäftlingen ist in den letzten Jahren leicht gesunken. 2013 waren es 8.631, 2003 noch 10.421.
Dementsprechend ist auch die durchschnittliche Anzahl der Insassen gesunken. Diese betrug zuletzt 1.696. Im Folgenden sind die Jahresdurchschnitte der täglichen Belegung zu sehen.
U-Haft Dauer
Besorgnis erregend ist hingegen das Steigen der durchschnittlichen U-Haft Dauer. Diese ist seit 2003 durchschnittlich um 12,4 Tage gestiegen. Am Stichtag zum 1.11.2014 befanden sich 258 Personen, also 13,5% aller U-Häftlinge schon über sechs Monate in Untersuchungshaft!
Jeder einzelne Tag in Haft ist besonders schlimm, wenn es weder eine Gerichtsverhandlung gab, noch das Ende des Prozesses, bzw. der Haft absehbar ist. Auch nach menschenrechtliche Vorgaben sind die Voraussetzungen für eine Untersuchungshaft besonders streng zu prüfen. Daher ist der Trend der immer längeren U-Haft ein Problem. Warum das so ist, ist unklar.
U-Haft nach Deliktsgruppen
In dieser Graphik ist zu sehen, wegen welcher Delikte gegen U-Häftlinge ermittelt wird. Bei weitem am Meisten geht es hier um Vermögensdelikte, als nächstes um Delikte nach dem Suchtmittelgesetz (SMG). Auch bei den Gesamtverurteilungen, also alle, egal ob davor eine U-Haft verhängt wurde und ob es zu einer Haftstrafe kam, gibt es am meisten Vermögensdelikte (um die 40%) und viele SMG Delikte (10-13 %), die zweitgrößte Gruppe sind hier jedoch Gewaltdelikte (20-26%)
In zwei Bereichen gibt es jedoch große Unterschiede zwischen den Gesamtverurteilungen und den U-Haft-Zahlen: bei den Suchtmitteldelikte und den Delikte gegen Leib und Leben.
Es wird ersichtlich, dass wegen Suchtmitteldelikten überproportional oft U-Haft verhängt wird. Während Verurteilungen nach dem SMG nur 10-13% aller Verurteilungen darstellen, sitzen 20-24% aller U-Häftlinge wegen solcher Delikte.
Besonders gering ist dafür der Anteil an U-Häftlingen wegen Delikten gegen Leib und Leben, dieser liegt bei unter 5 %. Dagegen liegt der Anteil an Verurteilungen zwischen 20% und 26%.
Dies deutet darauf hin, dass die U-Haft nicht in erster Linie dazu dient TäterInnen von Gewalttaten abzuhalten, sondern viel öfter der aufgrund von „Fluchtgefahr“, die bei Verdächtigen ohne fixen Wohnsitz im Inland pauschal angenommen wird.
Finanzielle Entschädigungen
Die Auszahlungen nach dem strafrechtlichen Entschädigungsgesetz für unberechtigte Untersuchungshaft bewegen sich jährlich zwischen 1 Mill. und 2,5 Mill. €.
Suizide in U-Haft
In den letzten Jahren haben sich jährlich zwischen 2 und 8 Personen in der Untersuchungshaft umgebracht. Dies sind relativ gesehen tendenziell mehr, als in der regulären Strafhaft.
Einschlusszeiten
Besonders belastend ist die Haft, je mehr Stunden am Tag in der Zelle eingeschlossen verbracht werden müssen. In (zu) vielen Gefängnissen wird pro Tag nur eine Stunde außerhalb der Zelle gewährt.