Biologisch essen aus Sicht eines Linken

Unsere Bundessprecherin Eva Glawischnig tourt derzeit durch Österreich. Hauptthema: Biologisch essen. Über einige Reaktionen war ich überrascht. Das sei ein sogenanntes „Bobo“-Thema besserverdienender Wohlstandsgrünen – Grüner Hedonismus sei unsympathisch, man möge sich um andere Themen kümmern. Ich war überrascht. Ernährungsfragen sind Gerechtigkeits- und Zukunftsfragen. Bei der Bio-Debatte geht es nämlich für mich als Linken nicht primär darum, was besser schmeckt, sondern wie und was wir produzieren und welche Auswirkungen das auf unser Wirtschaftssystem hat.

Da wäre die industrielle Überproduktion an Nahrungsmittel in Europa, die dann zu Dumpingpreisen im Süden verkauft werden und dort regionale Märkte zerstören und massive Abhängigkeit schaffen. Dazu kommt, dass für die agrarische Massenproduktion in Europa Futtermittel – Stichwort Soja – auf Flächen jener Länder angebaut werden, die deshalb die ansässige Bevölkerung nicht versorgen können (wollen). Der Umstieg auf Nachhaltigkeit ist daher eine globale Gerechtigkeitsfrage.

Da wäre dann noch die Kleinigkeit (Achtung Zynismus), dass eine nachhaltige Landwirtschaft Boden, Wasser, Klima und Artenvielfalt schützt. Das kann und darf nicht egal sein. Neben den positiven ökologischen Effekten vor Ort gibt es aber wiederum einen globalen Bezug. Durch den Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und mineralische Stickstoffdünger verbraucht der ökologische Landbau deutlich weniger fossile Energieträger als die herkömmliche Landwirtschaft. Das ist nicht nur im Zusammenhang mit der Frage der Verteilung der globalen Ressourcen interessant, sondern sollte längst bekannt sein, dass die Klimaveränderung die ärmsten Länder am stärksten und härtesten trifft.

Bleibt die Frage, nach der Leistbarkeit. Die darf und muss gestellt werden, weil sie nichts anderes als die Frage nach der Vermögens- und Einkomensverteilung in den Industriestaaten ist. Sie ist aber kein Argument gegen biologisches Essen. Will man ernsthaft behaupten, dass qualitativ hochwertige Nahrungsmittel ein Privileg sein sollen? Nein.

Das alleine sollte Linken reichen, die Debatte um biologische Ernährung nicht oberflächlich als Liebe zum Hedonismus zu diskutieren. Wer das nicht erkennt, hat Teile der globalen Verteilungsdebatte nicht verstanden. Dazu kommt, auch Linken darf es schmecken.

2 Kommentare bis jetzt.

  1. Martin sagt:

    Die Kritik vieler Linken an der grünen Sommertour ist, zuwenig die wichtigsten Themen (Soziales, Umweltschutz, …) – national und global – behandeln.

    Biologische Nahrung ist wichtig. Sie löst aber nicht alle großen Probleme.

    Darum geht es vielen Linken.

    Viele Linke erwarten sich von den Grünen, dass sie kämpferischer sind.

    Alleine schon, wenn man auf http://www.gruene.at schläft man ein. Da soll in ein paar Wochen, z.B., der neoliberale Wettbewerbspakt beschlossen werden und auf http://www.gruene.at wird dagegen nicht energisch dagegen gekämpf.

  2. Veronika sagt:

    Die Frage der Leistbarkeit aufgrund von Vermögens- und Einkommensverteilung stimmt schon, aber ist eigentlich ein anderes Thema. In diesem Kontext finde ich die Kostenwahrheit, also die Wahrheit der Produktionskosten und der Verkaufspreise, wichtiger. Lebensmittel, vor allem konventionelle, sind in ihrer Produktion viel teuer als sie verkauft werden. Wenn nicht die „falschen“ Lebensmittel subventioniert würden, dann würden die biologischen Lebensmittel nicht uverhältnismässig teuer erscheinen.

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