LVT am rechten Auge blind

Der Verfassungsschutz (LVT) agiert bei Ermittlungen in der rechtsextremen Szene meist lustlos. So lustlos, dass selbst das zurückhaltende Justizministerium in einem Fall von ambitionslos spricht und brieflich bei den Verfassungsschutz-Vorgesetzten eine Überprüfung der Ermittlungen fordert.

Der Reihe nach. Der Fall dreht sich um „Unsterblich“  eine Gruppe rechtsextremer Fußballplatzbesucher. Im Jänner dieses Jahres wurde „Unsterblich“ von Austria Wien der Fanklubstatus wegen anhaltender rechtsextremer Umtriebe aberkannt.

2011 ist ein Mitglied der „Fangruppe“ genannt Uwe verstorben. Bei einem Europacupspiel wurde daher von „Unsterblich“ im Wiener Horrstadion ein Trauermarsch für den verstorbenen Uwe B. abgehalten. Die Gruppe blieb den ersten Minuten des Spiels fern und ist dann gemeinsam mit einem Kranz auf der Tribüne einmarschiert. Auf Videoaufnahmen, die die Gruppenmitglieder danach selbst im Internet veröffentlicht haben, ist zu erkennen, dass vier Beteiligte beim Einmarsch auf die Tribüne die rechte Hand zum Hitlergruß erhoben haben.

Die Staatsanwaltschaft hat ein Verfahren wegen Wiederbetätigung eingeleitet. In weiterer Folge konnten vom LVT nur zwei Personen identifiziert werden. Ein Beschuldigter wurde einvernommen. Von einer Einvernahme der zweiten Person als Zeugen nahm das LVT überhaupt unter anderem deshalb Abstand, weil dieser der Hooliganszene der Rapid-Ultras zuzurechnen sei, und deshalb fraglich sei, ob er die Verdächtigen überhaupt kenne. Überprüft wurde diese Annahme nicht.

Auf Basis des Abschlussberichts stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen den Beschuldigten ein. Begründet wurde die Einstellung mit der „glaubwürdigen Verantwortung“ des Beschuldigten, er habe sich bloß „aufgrund des starken Alkoholisierungsgrad zum Hitlergruß hinreißen lassen“  also keinen Vorsatz gehabt.

Im Justizministerium ließ man sich den Ermittlungsakt beischaffen. Nach einer Recherche stellte man dort schnell fest, dass es sich sowohl beim namentlich bekannten Beschuldigten als auch beim namentlich bekannten Zeugen um Rapid-Anhänger handelt, weshalb nicht mehr grundsätzlich davon ausgegangen werden könne, dass dem Zeugen die übrigen Beschuldigten unbekannt seien. Außerdem sei nicht nachvollziehbar, wieso Rapid-Anhänger an einem Trauermarsch für einen rechtsradikalen Austria-Fan teilnehmen. Für die Beamten des BMJ dürfte klar gewesen sein, dass das verbindende Element die rechtsradikale Gesinnung der Teilnehmer war, was aber einen entsprechenden Vorsatz nach dem Verbotsgesetz nahe gelegt hätte. Dazu stellten sie fest: „Weiters ist im Hinblick auf das organisierte Auftreten und Einmarschieren von fast 200 Personen von einem planmäßigen Vorgehen und nicht von einem ‚bloßen Hinreißen lassen‘ auszugehen“.

Am 3. Juni 2012 erteilt das BMJ die Weisung, dass Verfahren gegen den Beschuldigen und gegen die unbekannten Täter fortzuführen. Dabei übt es auch massive Kritik an der Staatsanwaltschaft („oberflächlich begründete Zweifelseinstellung“) und scharfe Kritik am Verfassungsschutz-Wien. Die Ermittlungstätigkeit des LVT-Wiens sei „wenig ambitioniert“.  „Die eindeutig als Hitlergruß zu beurteilende Geste des Täters wurde (vom LVT Anm.) als das möglicherweise bei Fans übliche Ausstrecken der Hände mit den Handflächen nach außen‘ gedeutet“. Das ist insbesondere relevant, weil hier offensichtlich wie beim Fall der FPÖ-Kundgebung in Graz Gesten beim Verfassungsschutz so interpretiert werden, dass keine Wiederbetätigung im Sinn des Verbotsgesetzes angenommen werden soll.

hitlergruß

Eindeutiger Hitlergruß beim „Gedenkmarsch“ für Uwe B.

 

Das Vorgehen des LVT-Wien veranlasste den Sektionsleiter (Mag. Christian Pilnacek) ein Schreiben an den Generaldirektor für öffentliche Sicherheit mit dem Ersuchen um interne Überprüfung der Vorgehensweise des LVT-Wien zu übersenden.

Damit bestätigt sich, was ohnedies mit freiem Auge sichtbar ist. Dem Verfassungsschutz fehlt der Wille und das Wissen für Ermittlungen bei Straftaten mit rechtsextremen Hintergrund. Wie auch beim Fall der FPÖ-Kundgebung in Graz – wo eine Geste nicht als Hitlergruß, sondern als Winken interpretiert wurde – sieht der Verfassungsschutz auch hier keinen Hitlergruß, sondern eine angeblich bei Fußballspielen übliche Anfeuerungsgeste. Dem Verfassungsschutz fehlt es jedenfalls nicht an absurder Phantasie, um einen möglichen Nazigruß, ja nur nicht als solchen erkennen zu müssen. Blamabler geht es kaum, wenn sich der Verfassungsschutz dann vom Justizministerium sagen lassen muss, dass es sich selbstverständlich um einen Hitlergruß handelt.

Der Fall zeigt aber auch wie schwer es ist derartige Umtriebe zu verurteilen. Trotz des Eingreifens des Justizministeriums folgte eine Einstellung des Verfahrens. Am Ende fühlen sich die Rechtsextremisten bestätigt und machen weiter.

Artikel auf derstandard.at dazu: Hitlergruß im Fußballstadion: Ministerium rüffelt Verfassungsschutz

4 Kommentare bis jetzt.

  1. Ulan sagt:

    Ja, dann ist für den Verarschungsschutz beim Skifahren ein „HEIL!“-Brüllen wahrscheinlich auch nur ein lautverschobener alpinsporttypischer Anfeuerungsruf („HOP!“). Und der Hitlergruß kann wahlweise auch als Selbstbeschattungsgeste gegen Blendung verstanden werden.

    Man muss drüber nachdenken den LVT als verfassungsfeindlich abzuschaffen. Nicht nur in Österreich erinnern Verfassungsschützer in der Glaubwürdigkeit ihres Handelns an eine Tierschutzvereinigung der Metzger und Schlachter.

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